05. Juli 2021, Bettina Grote
Wir haben die letzte Gira vor der Sommerpause gefeiert, erstmals wieder in großer Gruppe und mit wenigen Gästen. Es ist ein sehr schönes rituelles Fest. In die Freude mischt sich Dankbarkeit dafür, dass wir während der virusbedingten Einschränkungen hier seit Monaten einen sicheren Ort für die Giras haben. Wir fragen die Vermieterin, ob sie Blumen mag, sofort sagt sie ja. So überreichen wir ihr den Blumenstrauß, der unseren Altar geschmückt hat, verabschieden uns kurz und stehen schon vor dem Grundstück im Dunkeln, als mein Blick erfasst, wie sich die Frau in die Blumen vertieft, wie sie langsam an einer Blüte riecht. Dieser Moment, genauer der Gesichtsausdruck, ein weiches, offenes Lächeln, berührt mich sehr. Es ist keine Freude, die man im Angesicht des Gebenden, vielleicht höflich und durchaus wirklich erfreut, zeigt, sondern eine "unbeobachtete" direkte Zuwendung zu dem, was in den Händen gehalten wird.
Sofort ruft die Szene eine andere Begegnung wach, die viele Jahre zurückliegt. Ich bin im Wald unterwegs, um dem Fluss Blüten und ein Lied zu bringen und trage ein Bündel Blumen mit mir. Auf einem schmalen Weg kommt mir ein alter Mann entgegen. Mit Blick auf den Strauß sagt er unvermittelt: Das wäre doch nicht nötig gewesen. Ich gebe ihm einen großen Teil der Blumen. Wir kommen in ein Gespräch. Unvergessen ist mir, wie der Mann während der gesamten Unterhaltung die Blumen in beiden Armen liegend trägt und seinen Blick immer wieder dorthin lenkt, nahezu zärtlich. Als unsere Wege sich wieder trennen, sind noch genug Blumen übrig und der Fluss scheint zufrieden mit seinem Teil. So beglückend auch die kleine Hinwendung zum Wasser war, das Geschenk jenes Tages war ein alter Mann, der auf eine besondere Art Blumen in den Armen hält. Und zugleich gehört auch dieser Augenblick in den Kontext einer rituellen Gabe, die ihrerseits in eine rituelle Gemeinschaft eingebettet ist, die wiederum an Traditionen und Völker anschließt.
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