Ströme der Umbanda. Ein Gespräch von Moussa Kone mit Iya Habiba de Oxum

27. November 2020, Moussa Kone und Iya Habiba Kreszmeier

Dieses Interview wurde ursprünglich im Jänner 2017 auf Moussa Kones Blog Orisha Image veröffentlicht.
Fotos: Alabe Cito Hufenus, Übersetzung: Edite do Carmo, Bearbeitung: Dorothea Kurteu

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Iyá Habiba, Umbanda ist eine relativ junge spirituelle Praxis, die vor etwa 100 Jahren von Zélio Fernandino de Moraes im Südwesten Brasiliens gegründet wurde. Die allgemeine Meinung ist, dass sie eine Mischung aus afrikanischen, europäischen und indigenen brasilianischen Glaubensrichtungen ist. Kannst du uns etwas über Umbanda erzählen?

Langsam, Langsam! Ehe ich meine Gedanken zur Geschichte der Umbanda erzähle, will ich daran erinnern, dass jede Geschichte, jede Geschichts- und Identitätsbildung immer nur eine Auswahl oder nur ein Ausschnitt der eigentlichen Lebensfülle ist. Diese Selektion definiert Anfänge, Einflüsse, Kontexte - erklärt die Welt und schafft Wirklichkeiten. Das gilt für Individuen, wie Völker und ebenso für Religionen. Die Tendenz, jenen bestimmten Ausschnitt dann für die gültige Wahrheit und einzige Geschichte zu halten, ist gross und verführerisch. Leider auch oft schädlich. Mir fällt dazu gerade die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie ein, die in ihrem TED Vortrag The Danger of a single story auf die Gefahr der „einen“ Geschichte verweist.

Ich will also daran erinnern, dass es zu allem immer verschiedene Geschichten zu erzählen gibt und auch verschiedene Geschichtsbildungen. Das gilt hier auch für die Umbanda oder noch besser die vielen Umbandas. Was sie aber in all ihrer Unterschiedlichkeit verbindet sind Integrations- und Adaptionsfähigkeit, Pluralität und dezentrale Selbstorganisationsformen.

Und innerhalb dieser Umbandas gibt es einen Strom, der seine Gründung auf Zelio Fernandinho de Morães und seinen Caboclo Sete Encruzilhada zurückführt. Es sind jene Ströme der Umbandas, die sich aus einem eindeutig christlichen oder spiritistischen Feld herleiten und caritativen und moralischen Grundsätzen folgen. Hier manifestieren sich Geistwesen, sogenannte Entitäten, oft verstanden als Ahnenseelen, um auf der Welt Gutes zu tun und so gleichermassen für sich selbst als auch in der Welt zur Seelenentwicklung beizutragen. Als interessantes pychologisches, soziologisches und religiöses Phänomen kann hier wahrgenommen werden, dass in diesen rasch wachsenden und sich diversifizierenden Tendas oder Templos primär jene „Seelen" inkorporiert und mit Macht und Rang ausgestattet wurden, die in der gesellschaftlichen Wirklichkeit Brasiliens unterdrückt und marginalisiert waren. Hier in vorderster Front Indios, Caboclos, und Afrikaner, Pretos Velhos. Und obgleich diese Umbandas anfangs primär von der weissen wachsenden Mittelschicht in den Städten praktiziert wurde, war sie religiöser Repression ausgesetzt, was in den 50 Jahren zu einer „Entafrikanisierung“ zugunsten von kardezistischen, spiritistischen Einflüssen in der Bewegung geführt hat. Bis zum heutigen Tag und unter dem zunehmenden Einfluss von Pfingst- und Freikirchen noch einmal mehr, gibt es Umbandas, die sich als weiss und rein verstehen wollen und für die die Präsenz des Afrikanischen ein Dorn im Auge ist.

Aber es gibt auch andere Umbandas?

Ja, neben diesen Strömungen gibt es jene Umbandas, die sich bewusst und intensiv der Multikulturalität und der kreativen Integration aller spirituellen Traditionen dieser Welt zuwenden. Hier kommen zu den europäischen, afrikanischen und indianischen Entitäten, Meister aus dem Osten, Elemente des  Buddhismus und Hinduismus, Yoga und Tao aber auch allgemeine esoterische und energetische Konzepte oder schamanistische Ausrichtungen. Je nach Kompetenz und Neigung der Gemeinschaft und ihrer Führung, werden hier unter dem Primat der Liebe und des weltverbindenden Friedens und meist eines monotheistischen, transzendenten Gottes, Rituale ausgerichtet. Diese Umbandas betonen den synkretistischen Charakter, vermischen und verbinden grosszügig Gottheiten, Prinzipien und Heilige.

Und letztlich gibt es auch einen Teil unter den Umbandas, die sich in ihrer Identität auf Historizität und afrikanische Wurzeln berufen. Sie verstehen und praktizieren die Umbanda als eine Religiosität, die im Grunde Bantustrukturen folgt, so wie das Candomblé seine Identität primär von der Kultur der Yoruba und Ewe/Fon ableitet.

Unter dieser Perspektive ist die Gründung oder genauer die Entstehung der Umbanda ähnlich zu beschreiben wie die Entstehung von Candomblé in Brasilien oder anderen afro-basierten Religionen in der Karibik: als ein religionssoziologisches Phänomen, das sich unter bestimmenden historischen und politischen Bedingungen entwickelt hat: Zu ihren Merkmalen gehörten und gehören die Inkorporationstrance von Natur- und Ahnenkräften, die im Dienste von Heilung und Beratung für die Gemeinschaft geschieht und ein Lebens- und Weltenempfinden, das den Menschen in eine lebendige Naturwelt eingebunden sieht, mit der im Wesentlichen über Ritual, Tanz, Opfergaben und eben Trance kommuniziert wird

Innerhalb dieser drei Kategorien gibt es viel mehr Schichten in der Umbanda, als ich dachte! Umbanda gab es schon zu Zeiten der Sklaverei?

Das darf man mit grosser Sicherheit annehmen. Hier kurz zur geschichtlichen Erinnerung: während der ersten 250 Jahre der brasilianischen Kolonialisation waren primär Bantu-Völker in Brasilien als Sklaven tätig. Erst im späten 18. Jahrhundert kamen zahlreiche Völker aus Westafrika über den Atlantik. Unter ihnen hatte besonders die Tradition der Yoruba, ihre Sprache und Religion, einen entscheidenden Einfluss. Man kann die Kultur der Yoruba als eine wesentliche synkretistische Komponente der Umbanda ansehen und zu ihr haben sich - später - weitere gesellt.

Wenn man mich also über die Geschichte der Umbanda befragt, dann beginnt meine Geschichte mit dem spirituellen Reichtum der Bantuvölker, die in den ersten Jahren aus dem Raum Angola und Kongo kamen. Dass sie so nicht erzählt wird, liegt an der Oralität der Überlieferung, die diesen Traditionen zugrunde liegt. Sie bietet kein Beweise, keine Schriftstücke und sie hatte schon gar keine Lobby, die im Nachhinein für sie hätte eintreten wollen, im Gegenteil. Das führte zu einer fragwürdigen Interpunktion der Geschichte, die über 350 Jahre Geschichte ausblendet, verdrängt.

Ich jedenfalls fühle mich jener Umbanda zugehörig, die wohl schon im 16 Jahrhundert ihren Anfang genommen hat und freue mich, dass zunehmend mehr Anthropologen und Religionswissenschaftler, andere Meinungsbildner und Praktizierende diese Perspektive vertreten. Ja und auch, dass in zahlreichen Terreiros und Templos in Brasilien ein Erinnerungsvermögen einsetzt, das dem afrikanischen Erbe innerhalb der Umbanda einen würdigen und angemessenen Platz zuweist.

Was sind die wichtigsten Prinzipien, die spirituellen Grundlagen der Umbanda-Religion?

Alles, was ich nun sage, bezieht sich auf jene Umbanda, die ich kenne und praktiziere.

Das Zentrale ist die Kosmologie einer beseelten Welt, in der sich unsichtbare und sichtbare Ebenen, materielle und spirituelle Kräfte, Profanes und Heiliges durchdringen und miteinander in Austausch und Bewegung sind. Der Mensch sucht und findet darin seinen Ort und seine Bestimmung - indem er den Kontakt mit den unsichtbaren und sichtbaren Dimensionen der Welt pflegt: über Rituale in Gemeinschaft, Rhythmus, Tanz,  Pflege von heiligen Plätzen (Schreinen) und Ehrung von zwei grossen Feldern: Der Natur, ihren Räumen und Elementen und der Ahnenwelt.

Diese Umbanda meint, dass wir Menschen spirituelle Begleiter*innen zur Seite gestellt haben und zudem mit einer Schicksalbestimmung betraut sind. Die Kultivierung dieser Entitäten, hier heissen sie Caboclo, Pretos Velhos u.a. gehört zur Umbanda-Initiation. Die Entitäten übernehmen in öffentlichen oder internen Inkorporationsritualen heilerische und divinatorische Aufgaben.

Mit dem Einfliessen der Yoruba-Religion - dem Ifa, den Orishas und ihren Xires - hat die Umbanda-Kosmologie einen erweiternden Sinn- und Weisheitsrahmen erhalten. Zur Heilmagie hat sich hier die Tempelmagie gesellt, zur curativen Ausrichtung die priesterliche Ehrung der heiligen Kräften, zur curativen Helferkraft, Entität, eine sinnstiftende Schicksalskraft, Orisha.

Ihr verehrt verschiedene Orishas (in Brasilien Orixá geschrieben) und verschiedene Geister, wie die relativ bekannten Caboclos, Geister verstorbener brasilianischer Ureinwohner. Wie sind sie miteinander verwandt und welche Arten von Geistern gibt es?

Die Kultivierung der Geistkräfte der Natur ist ein zentrales Element. Die sogenannten Caboclos können als donos da terra verstanden werden oder auch als orts- und raumbezogener Ahnenbezug. Sie repräsentieren heilige Kräfte der Erde. Sie mögen ursprünglich ein ganz abgegrenztes Element aus Bantu-Kulten gewesen sein, dann lange Zeit galt der brasilianische Indio als Ortsahn schlechthin. Heute werden sie durch den Einfluss, die Ein- und Überlagerung der Orishas als eine Art Helferkräfte dieser Göttlichkeiten gesehen, mancherorts auch sogar als Ausdruck des Orishas Onilé.

Neben den Caboclos, nehmen die Pretos Velhos als Element der Urahnen einen wichtigen Entitätenplatz ein. In unserem Haus zeigen sie sich nicht als verstorbene Grossväter, sondern als Weisheit aus jener langen Menschheitsgeschichte, die uns - gleich wo auf der Welt - nach Afrika verweist. Sie zeigen sich heilend, tröstend, beratend, sie verweisen auf grössere Zusammenhänge und arbeiten in und mit der Magie der Orishas und ihrem divinatorischen Zugang.

Diese beiden „Linien“ werden auch in öffentlichen Ritualen, sogenannten Giras, die regelmässig stattfinden, inkorporiert und stehen den Anliegen der Gäste zur Verfügung. Hinzu kommen zwei weitere Entitätenfelder, die Marinheiros, Marinheiras sowie die Exus und Pombajiras, die für initiatorische Fragen und Rituale des Hauses von Bedeutung sind.

Eingefasst sind diese mentoring-helping-spirits vom Kreis der Orixás, die in individuellen Initiationen und Terreirofesten kultiviert werden.

Kannst du mehr über Orisha Onilé erzählen, ich denke du meinst "den Besitzer der Erde, des Bodens"?

Ja, diese Kraft meine ich, allerdings würde ich sie eher als Hüterin denn Besitzerin der Erde definieren wollen. Damit lässt sich ein durch die ganze Erde wirkender Orishá verstehen, aber auch ein in einem spezifischen Erdraum lebender. Für uns, die wir die Orishas jetzt auf europäischer Erde kultivieren, ist Onilé als Verbindungskraft besonders wichtig.

Onilé hat aber auch allgemeine gesellschaftliche Bedeutung: der Ethnologe Prandi formuliert die einsichtige These, dass die verstärkte Rückbesinnung auf die Natur-Dimension der Orishas, die in vielen Terreiros Brasiliens zu erkennen ist, als Gegenbewegung zur Entfremdung und Ausbeutung unserer irdischen Ressourcen zu sehen ist. Und zugleich als Erinnerung an Onilé, die in Brasilien übrigens als weibliche Gottheit überliefert wird. 

Die Orishas selbst treten in der Umbanda-Praxis nicht in den Körper der Eingeweihten ein? Es handelt sich um eine der verschiedenen Arten von Geistern, die enge Beziehungen zu einer speziellen Orishas und ihrem Axé haben könnten?

Auch in der Umbanda können sich die Orixás direkt in den Initiierten und oft ja auch in den Nicht-Initiierten ;-) manifestieren. Dann gilt es zu sehen, welcher Ort, welche Einweihung Sinn macht. Bei uns tritt aber in der Regel zuerst eine Inkorporation von Entitäten auf, die dann durch den spirituellen Weg gefestigt und entwickelt wird und dann erst werden Orixás gerufen und kultiviert. Weil die spirituelle Welt aber oft nicht in unserer angenommenen Ordnung oder Zeit kommuniziert, gibt es zu dieser Regel glücklicherweise viele Ausnahmen.

Wie wurde festgelegt, dass du in Oshun eingeweiht werden sollst? Durch Weissagung, wie das 'jogo de buzios' (Yor. ẹ̀rìndínlógún)?

Es kam immer wieder vor, dass eine Entität des Pai de Santo mit Buzios den Orixá eines Filhos bestimmte, wesentlich war aber immer auch die Beobachtungen von Tanz, Lebensweg und spiritueller „Konstellation“. Die Definition „meines“ Orixás Oxum hat im Rahmen einer dafür ausgerichteten Klausur stattgefunden.

Das „jogo de buzios“ ist tendenziell in den Umbandas weniger vertreten. Hier spielen die Informationen, die über die Inkorporation der Entitäten in den Raum kommen, eine grössere Rolle.

Dein Initiationsname ist Ìyá, Yorùbá für Mutter, der Name deines Hauses ist Ilê Axé Oxum (Yor. ilé
àṣẹ Ọ̀ṣun, Haus unter der Autorität von Oshun) und du kultivierst die Orishas. Der Einfluss der Yorùbá ist in Brasilien im Allgemeinen stark, besonders im Candomblé der Ketú oder Nagô. Was ist der Unterschied zwischen den Orixás von Umbanda und den Orixás des Candomblé?

Soweit ich das grosse Feld der Orisha-Religionen überblicke ist ihr grosser Beitrag in der Welt das Zulassen und Kultivieren von Pluralismus und Diversität.

So ist eigentlich eine klare Grenze zwischen Umbanda und Candomblé in Brasilien kaum mehr auszumachen, während gleichzeitig die Unterschiede innerhalb der Umbandas und Candomblés gross sind. Ich will damit sagen, dass die Konzepte, die Kultivierung, die Rituale und Initiationen von Orixás von Haus zu Haus unterschiedlich sind: Bei den einen werden mehr der Tanz und die Stringenz der Opferungen, bei den anderen die Mythologien, die Einbettung ins Ifá bei den anderen die naturbezogene Präsenz und bei anderen eher die anthropomorphen Aspekte der Orishas betont. Das ist die schöne Vielgestalt dieser spirituellen Welt!

Was aber bestimmt einen Unterschied macht: Die Umbandas konzentrieren einen Gutteil ihrer Aufmerksamkeit und Rituale in die Kultivierung von Entitäten, das hat zur Folge, dass die Präsenz und Ritualisierung von Orishas weniger Raum hat, weniger aufwendig ritualisiert und möglicherweise weniger bindend ist. Allgemein bekannt ist, dass Umbandas keine Tieropferungen machen. Viele Candombles folgen einem fixen „Festkalender“, an dem sie Rituale für die an das Haus angeschlossenen Orixás feiern und ergänzen ihre Aktivitäten durch die Initiationen von Iaôs oder anderen Forderungen der „Buzios“. Ich sehe also mehr strukturelle denn essentielle Unterschiede was die Orixás betrifft.

Auch in meinem Haus bildet die Inkorporation von Entitäten die Basis der Initiation, dazu gehören die regelmässigen Girarituale. Der Terreiro richtet dazu ein bis zweimal jährlich Orixáfeste aus und ruft Filhos zu den sogenannten Feitura-Initiationen, also jenen Ritualen, an denen die Filhos ihre Orixás empfangen. Das alles miteinander ist schon ein recht dichter ritueller Aufgabenkalender.

Mit welchen Orishas arbeitest du in deiner Ilê Axé Oxum? Als ich einem Ritual beiwohnte, hörte ich, soweit ich mich erinnern kann, Lieder für Osanyin, Oshun und Obatala.

Wir arbeiten mit 17 Orixás unter ihnen gelten Oxum, Oxala, Xango und Iroco/Tempo zu den zentralen Kräften. Innerhalb der Giras werden aber jene Kräfte besungen, die für die jeweiligen Arbeiten und Anliegen wichtig sind oder jene, die sich manifestieren.

Für die Menschen, die noch nie in einer "Gira" gewesen sind - kannst du kurz beschreiben, was bei einem der öffentlichen Rituale geschieht?

Das sogenannte Gira-Ritual wird von einem eingeweihten Kreis getragen. Über Trommeln und Lieder und einer rituellen Sequenz wird der Raum in Balance gebracht und die Inkorporation von Entitäten gerufen. Diese Entitäten stehen dann Gästen und ihren Anliegen zur Verfügung:  spirituelle Reinigungen, Ableitungs- und Schutzrituale, divinatorische Empfehlungen finden statt. Die Gäste kommen mit verschiedensten Lebensfragen, Gesundheit, Familie, Lebensweg oder mit der Suche nach spiritueller Begleitung. Die Gira ist auch der Ort der initiatorischen Praxis für die Filhos de Santo, wie die Adepten hier genannt werden. Sie lernen über das Ritual und können dort ihre Entitäten inkorporieren und auch die Beziehung zu ihren Entitäten vertiefen.

Du hast die brasilianische Umbandatradition nach Europa gebracht, was man als die zweite Diaspora der afrikanisch abgeleiteten Praktiken bezeichnen kann. Wie wird sie auf dieses andere Umfeld angewandt, welche Veränderungen hast du erlebt oder musstest du vornehmen?

Das klingt jetzt vielleicht überraschend, aber was wirklich einen Unterschied macht, sind das Wetter und unsere klimatischen Bedingungen. Der Rhythmus der Jahreszeiten und besonders der lange Winter machen Anpassungen in den Ritualen nötig und manche Prozesse der Einweihung sind bei Minustemperaturen kaum möglich oder müssen auf geschlossene, geheizte Räume umgestaltet werden. Das schafft andere spirituelle Atmosphären.

Zu Beginn hast du erwähnt, dass einige Umbanda-Praktiken sich nicht allzu sehr mit afrikanischen Traditionen beschäftigen wollen, du hast es sogar so bezeichnet, dass sie sich selbst für "weiß und rein" halten. Für mich erscheint das völlig lächerlich, da afrikanische kulturelle Ausdrucksformen wie Trommeln, Tanzen oder Geisterbesessenheit so offensichtlich sind, und im kolonialen brasilianischen Kontext ist das einfach Rassismus.

Ja, das ist es auch, es kann als eine Form des in Brasilien (und nicht nur dort!) gelebten Rassismus verstanden werden. Gegenwärtig darf man jedoch von einer neuen Erinnerungskultur in Bezug auf die afrikanischen Wurzeln und sein Kulturgut sprechen. Hier scheinen sich die Kräfte neu zu zeigen und ihren Platz einzunehmen. Wie sehr sie der aggressiven Ausdehnung der evangelikalen und der aktuellen politischen Bewegungen standhalten können, das wird sich zeigen.

Ich frage mich, ob unter diesen Bedingungen, diese “zweite Diaspora der Orishas”, wie du sie genannt hast, also ihre Bewegung nach Europa, auch eine sinnvolle, ja notwendige Migration ist? Vielleicht trägt sie dazu bei, die Kraft und Weisheit aller Orishatraditionen, einschliesslich der Umbanda, in einem neuen Raum geschützt zur Wirkung und zur Erneuerung kommen zu lassen.

Ja, möge sie zum geistigen Reichtum und zur Gesundheit des Planeten beitragen - axé! Muito obrigado Iyá
Habiba, ich danke dir.

 


 

Links und Literatur

Prandi Reginalo, Segrados Guardados - Orixás na alma brasileira, compania das letras, 2005 Sao Paulo

Assmann/Strohm; Magie und Religion, Finkverlag, 2010

Inga Scharf da Silva: Umbanda. Eine Religion zwischen Candomblé und Kardezismus. Über Synkretismus im städtischen Alltag Brasiliens. Spektrum 83. Lit Verlag, Münster 2004

The danger of a single story, Chimamanda Ngozi Adichie, TED Global 2009 (Video Englisch mit deutschen Untertiteln, 18.30 Min)

History of American Slavery, The Atlantic Slave trade in 2 Minutes, Animierte interaktive Karte von Andrew Kahn

 




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