Brief einer Mãe de Santo

1. April 2020, Iya Habiba

Motumba Axé!

Viele von uns fragen sich, welche Orixás in der jetzigen Dynamik, die durch den Ausbruch eines Virus und den unterschiedlichen Versuchen seiner Eindämmung nahezu die ganze Welt in Schach hält, besonders aktiv sind und was wir tun können.
So sehr wir uns auch Erklärungen wünschen, ich empfehle zur Zeit vorerst all den Stimmen und Geschichten in Ruhe Gehör zu schenken, sie in uns reifen zu lassen. Denn es sind viele Mythen und Orixás im Spiel und das ist auch verständlich: Haben wir es doch mit etwas zu tun, das in den "Coroas", den Köpfen, also auch "Oris" so vieler wirkt. Es ist ein grosser "Bori", der sich mit uns und um uns ereignet und wie in jedem initiatorischen Schritt kann man dabei den Kopf verlieren, ihn riskieren und vor allem: neu gewinnen;-)

Als Mythos könnte sich das so erzählen:

Es war in einer Zeit, als die Menschen kaum mehr Zeit hatten mit den Orixás zu tanzen und Geschichten zu teilen. So viele waren mit so vielem beschäftigt, nur mehr wenige erinnerten sich an die goldigen Zeiten, in denen Baum, Fels, Meer, Quelle, Erde, Berg, Busch, Wind und Feuer, Vogel, Hirsch und Biene und alles, was die Erde ausmacht gemeinsam mit den Menschen und ihren Köpfen goldige Feste feierten.
In dieser Zeit also brach eine Krankheit aus, die vielen Menschen den Atem beschwerte und manchen, besonders den älteren unter ihnen, das Leben kostete. In solcher Geschwindigkeit ging diese Krankheit um die Welt und auch die Gelehrtesten unter ihnen wussten nicht wirklich, wie das ging, sodass den Völkern und Staaten Angst und Bang wurde. Sie mussten sich beruhigen und begannen zu befehligen. "Bleibt in euren Hütten und bleibt euch fern", hiess es bald in der ganzen Welt. Angst vor Tod, Angst vor Zusammenbruch, Angst vor Hunger, Angst vor Verlust zogen nun sichtbarst durch die Lande. Aber nicht nur: Auch Winde der Verbindung, der Ermunterung, des Vertrauens, der Veränderung hin zu goldigeren Zeiten wehten.

So lauschten und schauten auch wieder mehr Menschen die Vögel und anderen Zeichen am Himmel. Sie unterhielten sich mit den Quellen, sie lehnten ihre Köpfe an Bäume und Felsen, sie lockerten Erde mit ihren Händen und schnupperten an Blüten und sie befragten das Orakel:
"Orunmila, sag uns, was ist los? Orunmila, du, der du so viele Geschichten kennst, der du so weit und darüberhinaus siehst, sag uns, was uns geschieht und was ist zu tun? Orunmila, sag uns, ist jemand erzürnt, haben wir jemanden vergessen?"

"Nur mit der Ruhe", sagt das Orakel.
Dann nimmt es sich Zeit, schaut und schaut, schmunzelt, schüttelt den Kopf, schaut, lacht, seufzt, kratzt sich am Kopf, klopft sich auf das Bein, prustet laut heraus und schliesst versunken die Augen, dann sagt es: "Ihr wollt wissen wer spricht?"
"Das kann ich euch erzählen: Es haben sich alle unter Irokô versammelt. Dort spricht Exu, hält sich den Bauch vor Lachen und verschlingt, was er kann. Dort spricht Nanã ein ernstes Wort mit Ogum. Ogum spricht und stoppt viele Maschinen und macht sich auf die Suche nach Hilfen für ein Heilmittel. Oxala erzählt die Geschichte von seiner risikoreichen Reise, seiner Isolation und Erneuerung. Es spricht Xangô und ruft seine Obas für neuen Rat. Oxumare spricht und schenkt Ewa Erholungsraum, die schon müde ist vom Dienst bei Obaluiae, der wischt, was geht, gemeinsam mit Iansã, die klärt. Es spricht Ossaim, der seine Geheimnisse nicht einfach frei gibt und es spricht Oba mit Oxossi über die Vögel und das Mass. Es spricht Oxum, die bereit ist Federn zu lassen und Yemanja von der möglichen Erneuerung der Köpfe.
Und das Besondere ist: alle sprechen gleichzeitig und keiner fordert Vorrang. Alle sprechen und alle hören zugleich. Und wenn das geschieht, dann entstehen neue Geschichten."

 




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