Vortrag von Jan Assmann in Feldkirch

1. Mai 2017, Hans-Peter Hufenus
 


Jan Assmann im Gespräch mit Michael Köhlmeier über sein aktuelles Buch "Totale Religion, Ursprünge und Formen puritainscher Verschärfung"

Immer wieder hat der Ägyptologe und Kulturwissenschaftler Jan Assmann herausgearbeitet, dass die Entstehung des Monotheismus eine „Wende in der Geschichte der Menschheit“ bedeutete. Vor allem mit seinem Buch „Die Mosaische Unterscheidung“ (2003) untersuchte er dabei den „Preis des Monotheismus“, nämlich die damit in die Welt gekommene Unterscheidung zwischen wahr und falsch in der Religion. 

Keine geisteswissenschaftliche These ist in den vergangenen Jahren kontroverser diskutiert worden, zumal Assmann die Vermutung formulierte, der so entstandene Monotheismus enthalte notwendig „ausgrenzende Gewalt“. Er hat diese Vermutung nach vielfältiger Kritik inzwischen korrigiert: Nicht die Differenz von wahr und falsch sei wesentlich, sondern jene von Treue und Untreue. 

Denn entscheidend für das Verständnis des Monotheismus, von Judentum, Christentum und Islam gleichermaßen, sei es, den Glaube als „Sache liebender Treue“ zu begreifen. Assmann spricht deshalb jetzt von einem „Monotheismus der Treue“, ein Gedanke, den er in seinem epochemachenden Buch „Exodus“ (2015) ausführlich entwickelt hat.

Jetzt greift er diese Logik eines Monotheismus der Treue mit seinem jüngsten Band wieder auf, fragt nun jedoch, wie es dabei zu „puritanischen Verschärfungen“ mit der Tendenz auf eine „totale Religion“ kommt. Dass es diese in den monotheistischen Religionen gibt, ist in der Geschichte immer wieder zu beobachten. Wichtig ist Assmann hier die Feststellung, dass „totale Religion“ keine bestimmte bezeichnet, sondern „einen Aggregatzustand oder Intensitätsgrad“, den verschiedene Religionen annehmen können, indem sie sich absolut setzen. 
 


Wie stets, schaut Assmann sehr genau auf die historischen Zusammenhänge und die überlieferten Texte, vor allem jene der hebräischen Bibel. Er greift aber auch auf Carl Schmitts Theorie des Politischen zurück. Assmann weiß natürlich um die problematische Rolle Schmitts im NS-Regime. Aber er bezieht sich auf ihn nicht als moralische Instanz, sondern als Analytiker, nämlich auf seine Unterscheidung von Freund und Feind: Das Politische ist für Schmitt das Polarisierende, eben diese Aufteilung der Welt in Freund und Feind, die im Normalfall verborgen sei, im „Ernstfall“ aber offen zutage trete. Der politische Ernstfall ist der Krieg, und Schmitt denkt Politik durchgehend von diesem Ernstfall her.